Die vergessenen Frauen von Buen Pastor
Zum „guten Hirten“ werden Frauen gebracht, um sich zu bessern. Augustin Nuñez will ihnen die Möglichkeit dazu geben.
Leicht und vergnügt bewegt sich die 20-jährige Madaris auf der Bühne. Immer wieder kommt sie von der Bühne herunter, umarmt die Studenten von Augustin Nuñez, gibt ihnen Küsse und springt wieder zu ihren Tanzpartnerinnen zurück. Sie wirkt wie ein kleines Mädchen zwischen den alten Frauen um sie herum. Doch irgendwann wird sie selbst zu den alten Frauen gehören, das weiß sie. Noch 35 Jahre wird sie beim „guten Hirten“ bleiben. Sie hat vier Menschen getötet, „aus Mordlust“, wie es heißt. Madaris begreift ihre Tat nicht, kann sich unter „Schuld“ nichts vorstellen. Das hat ihr nie jemand erklärt. Und im Gefängnis reden sie über so etwas nicht, hier geht es ums Überleben. Die Schwachen bekommen als Letzte zu essen, dürfen nicht aufs Volleyballfeld oder an den Fernseher.
Augustin Nuñez kommt mit seinen Studenten ins Gefängnis, um Theater und Tanz zu machen, er sucht die Schwachen und Sensiblen. Das Projekt soll ihnen eine Richtung geben, in die sich die Gefangenen bewegen können. „Nach Jahrzehnten zwischen den hohen Mauern dreht sich alles im Kreis“, erzählen die Frauen. Einige wissen nicht einmal, wie lange sie schon hier sind und was sie einst verbrochen haben. Viele haben den Geist von Zehnjährigen, meist haben sie nicht einmal die Anklage verstanden - Spanisch haben sie erst im Knast gelernt.
Das macht auch den Studenten zu schaffen, die Geschichten für das „Radioteatro“ aufzeichnen. Immer und immer wieder müssen sie einzelne Sequenzen wiederholen, denn viele Frauen können nicht lesen, was im Drehbuch steht. Sie kommen aus den Chacaritas und den ländlichen Gebieten Paraguays, eine Schule haben sie nie von innen gesehen.
Aber sie verstehen die Geschichten, die das Theater erzählt. Sechzehn Kapitel sind es, die Nuñez inzwischen unter einfachsten Bedingungen im Inneren des Gefängnisses aufzeichnen ließ. Alle sind von Insassen geschrieben, drehen sich um das Leben in Gefangenschaft. Heute handelt die Geschichte von einer Tochter, die jeden Tag aus Spanien im Gefängnis anruft und sich mit ihrer Mutter austauscht. „Die Autorin der Geschichte hat schon seit Jahrzehnten keinen Besuch mehr empfangen“, weiß Nuñez. Mit ihren Mithäftlingen kann sie darüber nicht sprechen, das Drehbuch sei ihre Art, sich auszudrücken. Noch nie wurde sie verstanden, wurde ihr zugehört.
Auf Radio Viva 90.1 hören ihr die Paraguayer zu, immer montags zwischen 19 und 20 Uhr. Dann ist die Frau für einen Tag keine Schwerverbrecherin, sondern Drehbuchautorin, die die Leute berührt. Dieses Gefühl, einmal wie Autorinnen und Schauspielerinnen behandelt zu werden, ist das Wichtigste für die Frauen, wenn sie jeden Sonntag das Stück einüben. Die Studenten geben ihnen das Gefühl. Viele fühlen sich ungerecht behandelt, unschuldig. „Wir fragen nicht nach Schuld und Unschuld, für uns sind das einfach Schauspieler“, erklärt die 28-jährige Theaterstudentin Claudia. „Wer welche Strafe verdient, liegt nicht in meinem Ermessen“. Darüber wird an den Sonntagen nicht gesprochen. Schuld und Unschuld spielen für zwei Stunden die Woche keine Rolle. Auch wenn die Zahlen ernüchternd sind. Im Jahr 1995 saßen 117 Frauen im Gefängnis Buen Pastor an der Mariscal Lopez, lediglich fünf davon waren rechtskräftig verurteilt. Der Rest wartet, bis zu zehn Jahre.
Sechs Monate dauert das Projekt, Ende Juni findet es seinen Abschluss. Wie es weitergehen soll, das wissen die Frauen nicht. Sie machen sich über Zeit keine Gedanken. Das Projekt war seit langem das Einzige mit einem klaren Anfang und einem klaren Ende. Aber es wird ihnen fehlen, sich mit jemandem austauschen zu können, das wissen sie schon heute. Psychologen und Psychotherapeuten gibt es nicht, manchmal kommen Vertreter der Kirche. „Wir verrotten bei lebendigem Leibe“, sagt eine Gefangene. Die meisten können nicht einmal verstehen, warum.
Leicht und vergnügt bewegt sich die 20-jährige Madaris auf der Bühne. Immer wieder kommt sie von der Bühne herunter, umarmt die Studenten von Augustin Nuñez, gibt ihnen Küsse und springt wieder zu ihren Tanzpartnerinnen zurück. Sie wirkt wie ein kleines Mädchen zwischen den alten Frauen um sie herum. Doch irgendwann wird sie selbst zu den alten Frauen gehören, das weiß sie. Noch 35 Jahre wird sie beim „guten Hirten“ bleiben. Sie hat vier Menschen getötet, „aus Mordlust“, wie es heißt. Madaris begreift ihre Tat nicht, kann sich unter „Schuld“ nichts vorstellen. Das hat ihr nie jemand erklärt. Und im Gefängnis reden sie über so etwas nicht, hier geht es ums Überleben. Die Schwachen bekommen als Letzte zu essen, dürfen nicht aufs Volleyballfeld oder an den Fernseher.
Augustin Nuñez kommt mit seinen Studenten ins Gefängnis, um Theater und Tanz zu machen, er sucht die Schwachen und Sensiblen. Das Projekt soll ihnen eine Richtung geben, in die sich die Gefangenen bewegen können. „Nach Jahrzehnten zwischen den hohen Mauern dreht sich alles im Kreis“, erzählen die Frauen. Einige wissen nicht einmal, wie lange sie schon hier sind und was sie einst verbrochen haben. Viele haben den Geist von Zehnjährigen, meist haben sie nicht einmal die Anklage verstanden - Spanisch haben sie erst im Knast gelernt.
Das macht auch den Studenten zu schaffen, die Geschichten für das „Radioteatro“ aufzeichnen. Immer und immer wieder müssen sie einzelne Sequenzen wiederholen, denn viele Frauen können nicht lesen, was im Drehbuch steht. Sie kommen aus den Chacaritas und den ländlichen Gebieten Paraguays, eine Schule haben sie nie von innen gesehen.
Aber sie verstehen die Geschichten, die das Theater erzählt. Sechzehn Kapitel sind es, die Nuñez inzwischen unter einfachsten Bedingungen im Inneren des Gefängnisses aufzeichnen ließ. Alle sind von Insassen geschrieben, drehen sich um das Leben in Gefangenschaft. Heute handelt die Geschichte von einer Tochter, die jeden Tag aus Spanien im Gefängnis anruft und sich mit ihrer Mutter austauscht. „Die Autorin der Geschichte hat schon seit Jahrzehnten keinen Besuch mehr empfangen“, weiß Nuñez. Mit ihren Mithäftlingen kann sie darüber nicht sprechen, das Drehbuch sei ihre Art, sich auszudrücken. Noch nie wurde sie verstanden, wurde ihr zugehört.
Auf Radio Viva 90.1 hören ihr die Paraguayer zu, immer montags zwischen 19 und 20 Uhr. Dann ist die Frau für einen Tag keine Schwerverbrecherin, sondern Drehbuchautorin, die die Leute berührt. Dieses Gefühl, einmal wie Autorinnen und Schauspielerinnen behandelt zu werden, ist das Wichtigste für die Frauen, wenn sie jeden Sonntag das Stück einüben. Die Studenten geben ihnen das Gefühl. Viele fühlen sich ungerecht behandelt, unschuldig. „Wir fragen nicht nach Schuld und Unschuld, für uns sind das einfach Schauspieler“, erklärt die 28-jährige Theaterstudentin Claudia. „Wer welche Strafe verdient, liegt nicht in meinem Ermessen“. Darüber wird an den Sonntagen nicht gesprochen. Schuld und Unschuld spielen für zwei Stunden die Woche keine Rolle. Auch wenn die Zahlen ernüchternd sind. Im Jahr 1995 saßen 117 Frauen im Gefängnis Buen Pastor an der Mariscal Lopez, lediglich fünf davon waren rechtskräftig verurteilt. Der Rest wartet, bis zu zehn Jahre.
Sechs Monate dauert das Projekt, Ende Juni findet es seinen Abschluss. Wie es weitergehen soll, das wissen die Frauen nicht. Sie machen sich über Zeit keine Gedanken. Das Projekt war seit langem das Einzige mit einem klaren Anfang und einem klaren Ende. Aber es wird ihnen fehlen, sich mit jemandem austauschen zu können, das wissen sie schon heute. Psychologen und Psychotherapeuten gibt es nicht, manchmal kommen Vertreter der Kirche. „Wir verrotten bei lebendigem Leibe“, sagt eine Gefangene. Die meisten können nicht einmal verstehen, warum.
MichaImSueden - 20. Aug, 16:33