Der Staat im Staate
Die eindrucksvollen Ruinen der Jesuitenreduktionen bei Trinidad und Jesús zeugen von einer längst vergangenen Zeit in Paraguay – die bis heute umstritten ist.
Mächtige Ruinen aus meterdickem Stein bauen sich am Horizont auf, wenn man auf einer Sandpiste das verschlafene Dorf Jesús im Westen des Landes durchquert. Vorbei an wackeligen Holzhütten steht man vor den Resten einer Kathedrale aus rotem Stein, die über die Hügellandschaft zu wachen scheint. Das Unesco-Welterbe ist einer der letzten Zeugen einer hoch umstrittenen Epoche – der Besiedelung Lateinamerikas durch Europäer.
Ganz Südamerika wurde ab dem 15. Jahrhundert von Spaniern und Portugiesen unterworfen. Ganz Südamerika? Auf dem Land der Guaraní-Indianer im südlichen Paraguay, also genau an der Grenze zwischen der portugiesischen und der spanischen Einflusssphäre, konnte sich die Bevölkerung den europäischen Eroberern widersetzen. Das geschah aber nicht allein aus eigener Kraft. Missionierende Ordensbrüder der Jesuiten erreichten auf einer richtungsweisenden Synode 1603 in Asunción die Trennung von Spaniern und Indígenas und das formelle Ende der Ausbeutung durch Sklaverei. Wahrscheinlich 70 Missionen schlossen die Jesuiten daraufhin lose zusammen. Ab 1609, also vor fast genau 400 Jahren, ist hier und in Europa von einem „Jesuitenstaat in Paraguay“ die Rede. Wichtigste Stützen dieses Staates waren die so genannten Jesuitenreduktionen.
„Reduktion“ leitet sich vom Zusammenführen verschiedener indianischer Dörfer auf eines ab. Rund 4000 Indianer lebten in so einer Siedlung, die immer nach dem gleichen Muster aufgebaut war. In der Mitte das Gotteshaus, davor ein großer Platz mit den Häusern für die Eingeborenen außen herum. Jede Familie sollte ein Haus bewohnen, um Monogamie zu gewährleisten. Das Wort „Reduktion“ wird nämlich auch als Reduzierung der indianischen Lebensweise auf arbeiten und beten verstanden. Viele Forscher sprechen heute von einer der Sklaverei ähnlichen Lebensweise der rund 200.000 Indígenas im Jesuitenstaat. Innerhalb der hohen Steinmauern, die den einstigen Waldbewohnern eigentlich Schutz vor den Menschenhändlern bieten sollten, lebten die Bewohner in fast kommunistischer Lebensweise zusammen – unter der patriarcharischen Führung der Glaubensbrüder. Die zwei bis drei Padres waren nicht nur für die geistige Führung gut. Unter ihren Anweisungen sollten die Indianer wie die Urchristen leben, zwei bis drei Tage hätten die Eingeborenen pro Woche arbeiten müssen, um ihren Anteil an der Gemeinschaft zu erbringen. Dieses Modell diente lange als Ideal auch für europäische Denker. Schnell gelangte der Glaubensstaat unter dem Schutz der katholischen Kirche zu immensem Reichtum, der sich auch in den Ruinen widerspiegelt.
Etwa 600 Meter von der Ruta 2 entfernt steht ein weiteres Weltkulturerbe, die Ruinen von Trinidad. Von der Frühstücksterrasse des deutschgeführten Hotels „A las Ruinas“ aus kann man sich einen Überblick über die einstige Jesuitenstadt machen. Im angeschlossenen „Kinocafé“ zeigt der Berliner Besitzer gerne den preisgekrönten Film „Die Mission“, der einen Einblick in die Jesuitenmissionierung auch in Trinidad gibt.
Die mächtige und einst so reiche Reduktion La Santisima Trinidad de Paraná wurde von einem italienischen Architekten entworfen, Juan Bautista Tripoli. Noch heute ist das ausgeklügelte Abwassersystem sichtbar, finden sich Überreste eines Dampfbades und Werkstätten, in denen ab dem Bau 1706 vornehmlich Instrumente hergestellt wurden. Die Missionierung der Guaraní soll weitgehend friedlich durch Musik erfolgt sein. Diese war schon lange ein fester Bestandteil der Guaraní-Kultur, die Missionare wussten das für sich zu nutzen. Reisende berichten von „paradiesischen Chören“, die feinen Instrumente der Indianer wurden in die ganze Welt verkauft. Rund 60 Jahre nach dem Bau der prosperierenden Reduktion in Trinidad machten sich die Padres ab 1763 12 Kilometer nordwestlich in Jesús de Tavarangue ans Werk. Mit Spiegeln verständigte man sich auch über die weite Distanz hinweg, gab Bauanweisungen und bestellte Nachschub. Doch Jesús wurde nie fertiggestellt. Der Reichtum und die Macht der Jesuiten war den Mächtigen in Europa schon lange ein Dorn im Auge – den Kolonialherren war er ein Stachel im Fleisch. 1767 vertrieben sie die Jesuiten aus dem Land. Die Guaraní flüchteten vor der Sklaverei in den Wald, die Missionen zerfielen. Aber noch 300 Jahre später können Besucher auf den beeindruckenden Schauplätzen in die paraguayische Geschichte eintauchen.
Mächtige Ruinen aus meterdickem Stein bauen sich am Horizont auf, wenn man auf einer Sandpiste das verschlafene Dorf Jesús im Westen des Landes durchquert. Vorbei an wackeligen Holzhütten steht man vor den Resten einer Kathedrale aus rotem Stein, die über die Hügellandschaft zu wachen scheint. Das Unesco-Welterbe ist einer der letzten Zeugen einer hoch umstrittenen Epoche – der Besiedelung Lateinamerikas durch Europäer.
Ganz Südamerika wurde ab dem 15. Jahrhundert von Spaniern und Portugiesen unterworfen. Ganz Südamerika? Auf dem Land der Guaraní-Indianer im südlichen Paraguay, also genau an der Grenze zwischen der portugiesischen und der spanischen Einflusssphäre, konnte sich die Bevölkerung den europäischen Eroberern widersetzen. Das geschah aber nicht allein aus eigener Kraft. Missionierende Ordensbrüder der Jesuiten erreichten auf einer richtungsweisenden Synode 1603 in Asunción die Trennung von Spaniern und Indígenas und das formelle Ende der Ausbeutung durch Sklaverei. Wahrscheinlich 70 Missionen schlossen die Jesuiten daraufhin lose zusammen. Ab 1609, also vor fast genau 400 Jahren, ist hier und in Europa von einem „Jesuitenstaat in Paraguay“ die Rede. Wichtigste Stützen dieses Staates waren die so genannten Jesuitenreduktionen.
„Reduktion“ leitet sich vom Zusammenführen verschiedener indianischer Dörfer auf eines ab. Rund 4000 Indianer lebten in so einer Siedlung, die immer nach dem gleichen Muster aufgebaut war. In der Mitte das Gotteshaus, davor ein großer Platz mit den Häusern für die Eingeborenen außen herum. Jede Familie sollte ein Haus bewohnen, um Monogamie zu gewährleisten. Das Wort „Reduktion“ wird nämlich auch als Reduzierung der indianischen Lebensweise auf arbeiten und beten verstanden. Viele Forscher sprechen heute von einer der Sklaverei ähnlichen Lebensweise der rund 200.000 Indígenas im Jesuitenstaat. Innerhalb der hohen Steinmauern, die den einstigen Waldbewohnern eigentlich Schutz vor den Menschenhändlern bieten sollten, lebten die Bewohner in fast kommunistischer Lebensweise zusammen – unter der patriarcharischen Führung der Glaubensbrüder. Die zwei bis drei Padres waren nicht nur für die geistige Führung gut. Unter ihren Anweisungen sollten die Indianer wie die Urchristen leben, zwei bis drei Tage hätten die Eingeborenen pro Woche arbeiten müssen, um ihren Anteil an der Gemeinschaft zu erbringen. Dieses Modell diente lange als Ideal auch für europäische Denker. Schnell gelangte der Glaubensstaat unter dem Schutz der katholischen Kirche zu immensem Reichtum, der sich auch in den Ruinen widerspiegelt.
Etwa 600 Meter von der Ruta 2 entfernt steht ein weiteres Weltkulturerbe, die Ruinen von Trinidad. Von der Frühstücksterrasse des deutschgeführten Hotels „A las Ruinas“ aus kann man sich einen Überblick über die einstige Jesuitenstadt machen. Im angeschlossenen „Kinocafé“ zeigt der Berliner Besitzer gerne den preisgekrönten Film „Die Mission“, der einen Einblick in die Jesuitenmissionierung auch in Trinidad gibt.
Die mächtige und einst so reiche Reduktion La Santisima Trinidad de Paraná wurde von einem italienischen Architekten entworfen, Juan Bautista Tripoli. Noch heute ist das ausgeklügelte Abwassersystem sichtbar, finden sich Überreste eines Dampfbades und Werkstätten, in denen ab dem Bau 1706 vornehmlich Instrumente hergestellt wurden. Die Missionierung der Guaraní soll weitgehend friedlich durch Musik erfolgt sein. Diese war schon lange ein fester Bestandteil der Guaraní-Kultur, die Missionare wussten das für sich zu nutzen. Reisende berichten von „paradiesischen Chören“, die feinen Instrumente der Indianer wurden in die ganze Welt verkauft. Rund 60 Jahre nach dem Bau der prosperierenden Reduktion in Trinidad machten sich die Padres ab 1763 12 Kilometer nordwestlich in Jesús de Tavarangue ans Werk. Mit Spiegeln verständigte man sich auch über die weite Distanz hinweg, gab Bauanweisungen und bestellte Nachschub. Doch Jesús wurde nie fertiggestellt. Der Reichtum und die Macht der Jesuiten war den Mächtigen in Europa schon lange ein Dorn im Auge – den Kolonialherren war er ein Stachel im Fleisch. 1767 vertrieben sie die Jesuiten aus dem Land. Die Guaraní flüchteten vor der Sklaverei in den Wald, die Missionen zerfielen. Aber noch 300 Jahre später können Besucher auf den beeindruckenden Schauplätzen in die paraguayische Geschichte eintauchen.
MichaImSueden - 20. Aug, 16:50